Case Study Steel House

Der Stahlhausbau verharrt im Diktum vom Stahlbau als Skelettbau. Immer bilden gewalzte Stahlprofile die konstruktiven Grundaxiome, wobei alle weiteren Anforderungen - das Trennen, Schützen, Dämmen etc. – durch andere Baustoffe übernommen werden mussten. Während im Geschosswohnungsbau zunehmend organische Baustoffe mit mineralischen Wandbaustoffen in Konkurrenz treten, findet Stahl als raumabschließendes Flächengebilde – wenn überhaupt – nur in Sekundärkonstruktionen Anwendung. Obwohl bereits in den 1920ern und bis in die 1950er Jahre hinein einige Versuche unternommen wurden, tragende Wandelemente aus gewalzten Blechen zu entwickeln, ist diese Konstruktionsweise unter der Dominanz des Skelettbaus vollkommen aus dem Blickfeld geraten.

Welche Chancen jedoch hat Stahl in den kleinmaßstäblichen Zellenstrukturen der Wohntypologien? Können Wände aus dünnen, kaltgeformten Blechen als Tragwerk im Wohnungsbau eingesetzt werden - und welche formalen Möglichkeiten entstehen dann?

Alle Anstrengungen in der vorliegenden Untersuchung gelten der Kooperation von linearen und flächigen Tragwerken aus Stahlprofilen und kaltgewalzten Stahlblechen. Über eine dialogische Wechselwirkung von Überlegungen zur Effizienz der Form mit qualitativen Untersuchungen zur Befreiung des Raums wird eine Grammatik aus geschwungenen Blechwänden erarbeitet. Sie profitiert gleichermaßen vom Wissens- und Erfahrungsschatz der Ingenieure wie der Architekten. Das Tragwerk nutzt das Prinzip der Stegdoppelplatte, indem gewellte Blechwände im Verbund mit Stahlbetondecken ein räumliches statisches System bilden. So kann z.B. ein gewerblich genutztes Erdgeschoss ohne Stützen und Unterzüge frei überspannt werden. Es genügen Blechdicken von zwei bis fünf Millimetern bei Gebäudetiefen von 12 bis 15 Metern. Bauphysikalische und haustechnische Anforderungen werden durch additive Komponenten erfüllt. Durch das Prinzip der Redundanz können sich Tragwerksteile im Brandfall gegenseitig „aushelfen“. Unbekleidete Wellblechwände eines Geschosses können im Brandfall ohne Verlust der Standsicherheit ausfallen. Im ersten und im obersten Geschoss werden hierzu „heiß“ bemessene Innenstützen angeordnet. Dank der räumlichen Tragwirkung besteht große Freiheit in der Raumbildung der Wohngeschosse und es ergibt sich eine völlig neue Morphologie des räumlichen Gefüges.

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PROJEKT: 2017
AUFTRAGGEBER: IKE Institut konstruktives Entwerfen der ZHAW; Stahlbau Zentrum Schweiz SZS; werk, bauen + wohnen 
MEILI, PETER & PARTNER ARCHITEKTEN: Markus Peter, Patrick Rinderknecht, Alice Hucker; Roman Pfister, Raphael Jans; Andreas Haupolter, Michal Michalowski
BAUINGENIEURE: Drewes+Speth, Hannover (D)
BAUPHYSIK/AKUSTIK: Amstein+Walthert, Zürich
BRANDSCHUTZINGENIEURE: Makiol Wiederkehr, Beinwil am See

©GEORG AERNI