Mursteg Murau

Ursprünglich wurde die Brücke für eine grosse Holzbauausstellung errichtet. Im Unterschied zu üblichen Brücken verbindet der Steg für Fussgänger und Radfahrer vier unterschiedliche Antrittspunkte auf ebenso unterschiedlichen Höhenlagen. Der eigentliche Übergang ist ein vorgespannter Holzträger grosser Spannweite, der den Bahnhof direkt mit der Stadt verbindet. Die verschiedenen Zutrittswege sind durch eigene Arme erschlossen, die sich beinahe wie abgespaltene Stücke von dem Holzträger einzeln aufs Land legen.

Die Holzkonstruktion des Tragwerkes haben wir als monolithischen Körper behandelt – fast wie eine selbsttragende Karosserie –, dessen untere und obere Flanschaussteifung Dach und Boden der Brücke tragen. In unmittelbarer Nähe zum Tragwerksentwurf des Ingenieurs haben wir mit Manipulationen an dessen statischen Elementen der Platten und Scheiben den eigentlichen Brückenraum geschaffen.
Den Kern der Idee bildet dabei der einfeldrige Vierendeel-Träger. Diese im Holzbau neuartige Konstruktion war die Grundlage für die räumliche Interpretation des Wegüberganges. Denn der Vierendeel-Träger lässt gerade am Ort des grössten Biegemoments in der Mitte des Flusses ein riesiges Fenster offen. Dort werden die vier Ankunftsräume, welche von den Schubscheiben getrennt sind, zu einem Brückenraum zusammengeführt, und die Öffnung gibt wie durch ein übergrosses Fenster den Blick in die eindrückliche Landschaft frei. Die seitlich versetzt angeordneten Schubscheiben halten durch ihre diagonale Stellung mit den horizontalen Flächen des Bodens und der Decke den Raum und erinnern an minimalistische Raumexperimente der frühen Moderne.

Die integrierte Konstruktion, zusammen mit Jürg Conzett und der Kaufmann Holzbauwerk, in Vorarlberg, entwickelt, war das wirklich innovative Element dieser Brücke. Das Prinzip von Kleben und Pressen von Holz kam auf verschiedenen Ebenen zur Anwendung: Zuerst im industriellen Prozess der Herstellung von Brettschichtträgern, dann in der Verklebung und pneumatischen Pressung dieser Träger zu den Ober- und Untergurten sowie in der Nagelpressleimung der Schubscheiben. Die Gurtträger wurden schliesslich in je zwei Teilen auf die Baustelle gebracht und durch Kabelvorspannung (Untergurt) und durch Eigengewichtdruck (Obergurt) vor Ort zusammengeklebt. Diese Technik ermöglichte einerseits die vollständige Vorfabrikation wie auch andererseits die Herstellung einer Holzbrücke als Raumsystem allein aus den homogenen, strukturellen Teilen.

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ORT:  MURAU (A)
WETTBEWERB: 1993
PROJEKT: 1993–1995
BAUHERRSCHAFT: Steiermärkische Landesregierung, Graz (A)
MEILI, PETER ARCHITEKTEN: Marcel Meili, Markus Peter; Astrid Staufer
INGENIEURE: Branger & Conzett Ingenieure, Chur
HOLZBAU: Kaufmann Holzbauwerk, Reuthe (A)

©HEINRICH HELFENSTEIN

Publikationen/Auszeichnungen
ZUM STAND DER DINGE | archithese, Nr. 5/1995 RAUMBRÜCKE | Werk, Bauen + Wohnen, Nr. 12/1995
DIE BRÜCKE ALS HORIZONT | Daidalos, Nr. 58/1995
ESTANCIA SOBRE EL RIÓ. PUENTE SOBRE IL RIÓ MUR, MURAU | Arquitectura Viva, Nr. 48/1996
BRIDGE OF MURAU | Architecture and Urbanism, Nr. 06/1996
NOVY MOST. PRO STAROBYLE MESTO | Architekt, Nr. 11/1996
5TH MIES VAN DER ROHE PAVILION AWARD FOR EUROPEAN ARCHITECTURE, 1997 | Katalog der nominierten Bauwerke; Mailand, 1997
ARCHITECTURE IN AUSTRIA, A SURVEY OF THE 20. CENTURY | Birkhäuser 1999