Wohn- und Atelierhaus Zypressenstrasse Zürich

Vorgefunden haben wir eine mehrgeschossige Fabrik mit einem sorgfältig abgestimmten Ausdruck, dessen Stimmung durch eine Erweiterung in den Fünfzigerjahren geprägt worden ist. Weil uns die merkwürdige, mehrdeutige Ausstrahlung des Hauses am Park gefiel, wollten wir dessen unbestimmten Charakter in ein vergleichbar unprätentiöses, städtisches Wohn- und Dienstleistungsgebäude umarbeiten. Deshalb teilten wir das Gebäude in der Mitte über dem ersten Obergeschoss zwischen Wohnungen und Büros auf, ohne dass sich dies in der Fassade ausdrückt. Im Inneren dagegen wurde in die Struktur eingegriffen: Über der ehemaligen Produktionshalle erschliesst eine Rue intérieure die Wohnungen und ein neues mittleres Treppenhaus.

Die Einschnürungen der existierenden Tragstruktur und die ungünstige Orientierung haben räumliche Lösungen provoziert, welche unsere Auseinandersetzung mit der Wohnung in späteren Projekten wie dem City West Areal Zürich oder Mitten in München nachhaltig beeinflusst haben. Die grosse Tiefe von 16 Metern und die geringe Weite der Tragachse von 3,10 Metern zwangen uns, einen Typus zu entwickeln, der den Wohnraum wie eine Diele als «öffentlichen Raum» mitten durch die Wohnung spannt. Die Zimmer werden dadurch in der Diagonalen auseinandergerissen und eine Tag-Nacht-Trennung unter Verletzung von Diskretionsregeln aufgehoben. Um den Tunnelcharakter des Hauptraumes zu brechen, werden alle Türen und Schiebetüren an der Fassade angeordnet. Diese räumliche Öffnung entlang der Fassaden trägt wesentlich zu einem entspannten Raumempfinden bei. Schliesslich werden die bestehenden Stützen in feine Bewegungen der Wand einbezogen, um die Längsentwicklung zu rhythmisieren und den Türen einen kleinen räumlichen Schutz zu vermitteln.

Die vorhandene Struktur hat damit einen städtischen Wohnungstypus entstehen lassen, der zwar einige Regeln des Wohnungsbaus ausgehebelt hat – aber er verbindet die Aussicht im Norden mit der Sonne im Süden, er schafft über die Diagonale innere Weite und er ordnet Räume geringer Determinierung am offenen Raum an wie Häuser an einer Strasse. Mit dem neuen Fenstertyp erhält das Haus gewissermassen neue Augen. Die Manipulationen an der Silhouette durch Gauben und Terrassen arbeiten den kubischen Charakter der alten Fabrik gegenüber der Lieblichkeit des alten Satteldaches heraus.

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ORT: ZÜRICH
PROJEKT: 1994–1997
BAUHERRSCHAFT: Zypresse AG, Zürich
MEILI, PETER ARCHITEKTEN: Marcel Meili, Markus Peter; Roberto Azzola, Charles Tashima
IN KOOPERATION MIT: Matthias Bischoff, Zürich

© HEINRICH HELFENSTEIN